07.09.2020

"Wir lassen uns nicht erpressen“

Start der achten EU-UK-Verhandlungsrunde zu Post-Brexit-Beziehungen

Kurz vor dem Start der neuen Verhandlungsrunde über das künftige Verhältnis von Großbritannien und der EU am Dienstag hat Boris Johnson mit dem Aussetzen von Teilen des Scheidungsvertrags gedroht – wenn es bis zum 15. Oktober keine Einigung gebe.

Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament und Mitglied der UK-Koordinierungsgruppe:

"Offenbar widerspricht ein geplanter Gesetzentwurf für den britischen Binnenmarkt den Verpflichtungen im Austrittsabkommen zu Nordirland und zu staatlichen Beihilfen - damit wird ein völkerrechtlicher Vertrag untergraben. Wenn das so kommt, sind die noch laufenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen zum Scheitern verurteilt. Wie kann man der britischen Regierung noch trauen, dass sie geschlossene Verträge einhält?

Ich bin schockiert. So geht man nicht mit Verhandlungspartnern um. So etwas habe ich in Jahrzehnten noch nicht erlebt. Jetzt der einzig immer verhandlungsbereiten Seite eine Deadline setzen und den schwarzen Peter zuschieben. Wir werden uns nicht erpressen lassen. Dass die gemeinsame politische Erklärung für Boris Johnson nicht das Papier wert war, auf dem sie stand, hat sich angedeutet. Jetzt hat er es ausgesprochen. Damit lässt Boris Johnson die bisherigen Verhandlungen und die seriösen Bemühungen der Europäischen Union zu einer Farce verkommen.

Wir werden uns durch diese taktischen Spielchen nicht auseinander dividieren lassen, sondern an unserem bisherigen konstruktiven aber bestimmten Vorgehen festhalten - im Geiste der gemeinsamen politischen Erklärung von vor acht Monaten, die beide Seiten unterschrieben hatten. Wir halten uns an Abmachungen. Seine Verhandlungsposition hat das Europäische Parlamentes in einer Entschließung im Juli noch einmal bestätigt. Ein Abkommen um jeden Preis kann und wird es nicht geben.

Was für ein Wahnsinn, heute zu glauben, man könnte tatsächliche Souveränität in völliger Unabhängigkeit erreichen. Im heutigen Meer der Globalisierung mit mächtigen globalen Playern entwickelt man Souveränität nur gemeinsam. Das zeigt die Erfolgsgeschichte der EU und vieler Staaten, die Verträge geschlossen haben und diese auch einhalten. Die britische Illusion von der Souveränität, wird zum größten Souveränitätsverlust der britischen Geschichte führen."

 

Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlament, Mitglied der informellen EU-UK Friendship Group:

"Das Vereinigte Königreich hat mit dem Austrittsabkommen einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag geschlossen. Es ist nicht nur rechtswidrig sondern auch hochriskant, die Nordirlandfrage wieder aufzuschnüren. Johnson gefährdet damit nicht nur die Glaubwürdigkeit des Vereinigten Königreiches auf internationaler Ebene, sondern auch den Frieden auf der irischen Insel.

Die EU verhandelt weiter in bester Absicht, ein Abkommen zu schließen. Wir sind seit dem Beginn klar in unserer Linie: Vollen Zugang zum europäischen Binnenmarkt wird es nur bei Einhaltung unserer gemeinsamen Regeln geben.

Wenn Johnson die Verhandlungen beschleunigen will, ist das auch in unserem Interesse. Dann brauchen wir in den Verhandlungen aber keine Drohungen, sondern endlich inhaltlich Fleisch am Knochen. Klar ist: Wir haben auf europäischer Seite Vorbereitungen für einen No Deal getroffen. Ein Austritt ohne Abkommen schadet dem UK mehr als der EU, soviel steht fest."