15.12.2020

„Grundrechte der NutzerInnen schützen“

Vorschläge der EU-Kommission zu Digitalen Diensten und Märkten

Die EU-Kommission hat heute Gesetzesvorschläge für digitale Dienstleistungen und digitale Märkte vorgestellt. Sie sollen die Pflichten und Verantwortlichkeiten von Online-Plattformen für den Umgang mit Inhalten regeln. Zudem soll sichergestellt werden, dass Tech-Giganten wie Google und Amazon andere Unternehmen nicht durch unfaires Verhalten benachteiligen. 

Tiemo Wölken, Berichterstatter des Europäischen Parlaments für den legislativen Initiativbericht zu Digitalen Diensten und rechtspolitischer Sprecher der SozialdemokratInnen im Europäischen Parlament:

„Mit dem Digital Services Act bekommt Europa ein echtes digitales Grundgesetz. Ein klarer Rechtsrahmen schafft Rechtssicherheit für Plattformen und schützt die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer. Ich freue mich, dass die EU-Kommission den Empfehlungen des Parlaments gefolgt ist und beim Umgang mit Inhalten auf klar ausformulierte Notice & Action-Verfahren setzt.

Dabei trägt der Vorschlag aber einen erheblichen Konstruktionsfehler in Artikel 14, nach dem angenommen wird, dass eine Plattform Kenntnis von illegalen Inhalten hat und somit haftet, sobald sie eine Notifizierung erhalten hat. Sie kann dann automatisch eine Löschentscheidung treffen, ohne den betroffenen Inhalt gründlich zu prüfen. Das führt zu Overblocking und stellt ein erhebliches Risiko für die Meinungsfreiheit dar. Hier muss das Europäische Parlament unbedingt nachbessern. Voraussetzung für die Haftbarkeit von Plattformen sollte sein, dass notifizierte Inhalte auch wirklich offensichtlich rechtswidrig sind.

Auch an anderen Stellen ist die EU-Kommission noch zu zaghaft. Transparenzauflagen für Online-Werbung sind zwar ein wichtiger erster Schritt, reichen aber nicht aus, um die Hauptursache für die Verbreitung von Desinformation und schädlicher Inhalte an der Wurzel zu packen. Plattformen werden weiterhin aufmerksamkeitserregende Inhalte bevorzugt anzeigen, wenn sich dadurch mehr Geld durch personalisierte Werbung verdienen lässt. Ich hätte mir mehr Mut von der Kommission gegenüber der Werbeindustrie gewünscht: Wirtschaftliche Anreize für schädliches Verhalten beseitigen sich nicht von alleine. Immerhin sollen Nutzerinnen und Nutzer mehr Kontrolle über die Kriterien erhalten, nach denen Inhalte für sie sortiert und angezeigt werden.

Bedauerlicherweise fehlen im Vorschlag Bestimmungen zur Interoperabilität, damit sich unterschiedliche digitale Dienste miteinander verbinden können. Das würde dafür sorgen, dass Nutzerinnen und Nutzer nicht nur den plattformeigenen Algorithmen ausgeliefert sind.

Dass die Aufsicht über die Einhaltung der Regeln bei den Mitgliedsstaaten liegen soll, halte ich für einen Fehler. Einheitliche Regeln brauchen einheitliche Kontrolle: Wenn einige Mitgliedsstaaten die Aufsicht etwas laxer angehen als andere, drohen Wettbewerbsverzerrungen. Genau das sollte der DSA aber verhindern. Für die größten Plattformen soll eine einheitliche Aufsicht auf europäischer Ebene möglich sein - wieso das nicht für alle Plattformen gelten soll, erschließt sich mir nicht.“

Evelyne Gebhardt, verbraucherpolitische Sprecherin der Europa-SPD:

"Ich begrüße, dass die EU-Kommission mit dem Digital Market Act klare Verpflichtungen gegenüber großen Gatekeepern durchsetzen möchte und dass sie plant, unlautere Handelspraktiken zu verbieten. Die neuen Regeln dürfen sich allerdings nicht auf Wettbewerbsaspekte beschränken. Gesetze müssen die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher online wie offline schützen. 

Auch die Coronakrise hat gezeigt, wie notwendig es ist, Online-Marktplätze angemessen zu regulieren. Wer nicht Virologin oder Mediziner ist, sollte keine entgeltlichen Ratschläge für Menschen anbieten, die an COVID-19 erkrankt sind. In Ländern, in denen ärztliche Beratung ohne Qualifikationsnachweis erlaubt ist, sollte das kenntlich gemacht werden. Das gleiche gilt für andere Bereiche: Anwälte, Ingenieurinnen, Wirtschaftsprüferinnen. Ansonsten werden Verbraucher und Verbraucherinnen getäuscht!“ 

EU-Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament müssen nun über die neuen Vorschläge verhandeln.