06.10.2020

Universität unwiederbringlich verloren

Ungarns Hochschulgesetz verstößt gegen EU-Recht

Das ungarische Hochschulgesetz verstößt gegen EU-Recht, urteilte heute der Europäische Gerichtshof. Die Entscheidung kommentieren Katarina Barley, Mitglied im Innenausschuss des Europäischen Parlaments und Petra Kammerevert, bildungs- und kulturpolitische Sprecherin der S&D:

Petra Kammerevert: "Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bringt Klarheit: Die von Orbán nun bereits vor drei Jahren getroffenen Änderungen am Hochschulgesetz verstoßen gegen die europäische Grundrechtecharta. Die EU-Kommission hat mit ihrer Klage jetzt Rechtssicherheit erreicht und sollte auf dieser Grundlage konkrete Maßnahmen gegen Ungarn ins Spiel bringen. Leider kommt das Urteil jedoch viel zu spät. Es wird die Central European University, die Budapest wegen der Gesetzesänderung verlassen musste, nicht wieder zurückbringen. Ungarn hat eine renommierte internationale Universität unwiederbringlich verloren. Für das Europäische Parlament ist das Urteil keine Überraschung. Wir haben nach Kenntnisnahme von der geplanten Gesetzesänderung in 2017 die Kommission und die Mitgliedstaaten sofort aufgefordert, dagegen vorzugehen. Die Kommission und allen voran die Mitgliedstaaten haben jedoch nicht den Mut gehabt, Orbán in seine Schranken zu weisen. Ich hoffe, dass das heutige Urteil dazu führt, dass in Zukunft schneller und härter gegen Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene vorgegangen wird, die das Potential haben, Grundrechte einzuschränken."

Katarina Barley: "Wieder einmal ist der Europäische Gerichtshof das schärfste Schwert zur Durchsetzung europäischer Grundwerte. Das zeigt: Die Kommission ist viel zu zögerlich, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Es gibt viele Vorfälle, bei denen die Kommission die ungarische Regierung vor den EuGH ziehen könnte. Ein Beispiel ist Orbáns Entscheidung, einem oppositionellen Radiosender die Lizenz zu entziehen. Hier könnte die Kommission schon jetzt vor dem EuGH klagen.  Darüber hinaus brauchen wir künftig einen Rechtstaatsmechanismus, mit dem die Kommission bei der Gefahr von Verstößen gegen Grundwerte frühzeitig tätig werden kann."