09.11.2020

"Meilenstein für Schutz von Menschenrechten"

Einigung auf schärfere EU-Regeln für Export von Überwachungstechnologien

Nach sechs Jahren haben sich das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten am frühen Abend auf strengere europaweite Regeln für den Export sogenannter Dual-Use-Güter geeinigt. Das sind Güter, Software und Technologien, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden können.

Europäische Exportkontrollen galten bisher zum Beispiel für Luft- und Raumfahrtgüter, Navigationsinstrumente oder aber auch Lastwagen. Völlig neu ist nun die Einbeziehung von Überwachungselektronik in die Exportkontrolle. Wie Beispiele belegen, wurde europäische Software vermehrt von autoritären Regimes zur Überwachung und zum Ausspionieren von Oppositionellen genutzt, nicht zuletzt während des Arabischen Frühlings 2011.

Das finale Verhandlungsergebnis kommentiert der Verhandlungsführer und Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange:

„Was lange währt, wird doch noch gut. Das Durchhaltevermögen und die Durchsetzungskraft des Europäischen Parlaments gegenüber einigen EU-Mitgliedstaaten, die das Dossier jahrelang blockiert haben, hat sich gelohnt. Technologischer Fortschritt und neue Sicherheitsherausforderungen erforderten eine Überarbeitung der Exportkontrollen, die wir zum Anlass genommen haben, dem Missbrauch von Dual-Use-Gütern für Menschenrechtsverletzungen einen Riegel vorzuschieben.

Die überarbeitete Verordnung bringt die europäischen Exportkontrollen auf den aktuellen Stand und legt einen Mechanismus fest, nach dem weitere Anpassungen an den technologischen Fortschritt erleichtert werden, ebenso wie neue Sicherheitsrisiken und Informationen über Menschenrechtsverletzungen, bei gleichzeitiger Harmonisierung der Regeln im europäischen Binnenmarkt. Die neuen Regeln sind ein Meilenstein im Engagement der EU für einen stärkeren Schutz der Menschenrechte, da erstmals Exportregeln für Überwachungstechnologien vereinbart wurden. Die Verantwortung der Exporteure bei der Einschätzung von Risiken für den Missbrauch von Dual-Use-Gütern wird gestärkt. Die Achtung der Menschenrechte wird zum Exportstandard. Im Bereich der Überwachungstechnologien hat das Europäische Parlament die Einbeziehung von biometrischer Identifizierungstechnologie wie Gesichts- und Gefühlserkennung und das Durchsuchen von Big Data in eine strenge Exportkontrolle erreicht. Zukünftig gelten EU-weit einheitliche Regeln. Unsere klare Botschaft: wirtschaftliche Interessen dürfen nicht über Menschenrechten stehen.

Neue Maßstäbe werden auch bei der Transparenz gesetzt. Jährliche Berichte über den Export von Dual-Use-Gütern werden nicht mehr, wie bisher, kritische Informationen über Exporte hinter übergeordneten Kategorien von Dual-Use-Gütern verstecken können, sondern auch die konkreten Typen enthalten. Damit soll nachvollziehbar bleiben, inwieweit die Exportkontrollen dem gemeinsamen europäischen Anspruch gerecht werden.

Wir möchten, dass die Europäische Union zum globalen Vorreiter für regelbasierten und wertegeleiteten Handel wird. Deshalb legt die überarbeitete Verordnung fest, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sich für eine Ausweitung der multilateralen Exportkontrollregime einsetzen. So lange die internationalen Standards für Exportkontrollen nicht ambitioniert genug sind, muss die EU mit eigenem Beispiel voran gehen, zum Beispiel mit eigenständigen Exportkontrolllisten.

Das Beispiel der neuen Dual-Use-Verordnung zeigt, ebenso wie die Anfang nächsten Jahres in Kraft tretende Konfliktmineralien-Verordnung und das zukünftige EU-Lieferkettengesetz, dass sich Globalisierung nach einem klaren Wertekanon und verbindlichen Regeln im Sinne des Schutzes von Menschen- und Arbeitnehmerrechten sowie der Umwelt gestalten lässt. Das muss die Blaupause für die zukünftige regelbasierte Handelspolitik sein.“

Das Europäische Parlament wird voraussichtlich im Dezember oder Januar über das Verhandlungsergebnis abstimmen. Zuvor befasst sich der Handelsausschuss damit.