22.11.2021

„Agrarpolitik in der Sackgasse“

Finale Entscheidung über umstrittene EU-Agrarreform

Das Europäische Parlament stimmt am morgigen Dienstag, 23. November 2021, über die EU-Agrarreform ab. Zuvor debattieren die Abgeordneten über die neuen Vereinbarungen im Plenum in Straßburg. 

Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten:

„Wir SPD-Europaabgeordnete lehnen die ambitionslosen Pläne für die Zukunft der europäischen Agrarförderung, die sich in der zentralen Verordnung zu den Strategieplänen finden, ab. Mit dieser Agrarreform sind die europäischen Klima- und Umweltziele nicht erreichbar. 

Die europäische Agrarförderpolitik kann und muss mehr dazu beitragen, dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt entgegen zu wirken. Diese Reform ist also nicht nur eine vertane Chance, sondern der Weg in eine Sackgasse, wohl wissend dass der Weg heraus umso schwieriger wird. Diese Regeln würden ein katastrophales Signal an kleine und mittlere Betriebe senden, wenn man bedenkt, dass täglich mehrere hundert Höfe aufgeben müssen.

Leider ist es in den Trilogverhandlungen nicht gelungen, die wenigen progressiven Punkte der Parlamentsposition gegen den Rat durchzusetzen. Dazu fehlte uns auch im Parlament die Unterstützung aus den konservativ-liberalen Fraktionen. Der aus einer Zeit vor dem Green Deal stammende, veraltete Kommissionsvorschlag wurde damit weiter geschwächt. Ursula von der Leyen trägt hier eine große Verantwortung, da sie nach den lobenswerten Aufschlägen zum Europäischen Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie die alten Vorschläge der Juncker-Kommission auf dem Tisch gelassen hat. 

Die anspruchsvolleren Ziele des EU-Parlaments wurden massiv vom Rat blockiert. So können EU-Staaten Gelder für die neu geschaffenen Maßnahmen zum Schutz des Klimas und der Umwelt in das Budget der Flächenzahlungen über die gesamte Programmperiode verschieben. Ihnen wird ein grünes Mäntelchen umgeworfen.

Der gefundene Kompromiss wird auch nicht zu einer nennenswerten Umverteilung der Mittel zugunsten der kleinen und mittleren Betriebe führen. Auch künftig werden Millionenbeträge an multinationale Holdings gehen, während der durchschnittliche Betrieb in Europa im ungleichen Wettbewerb unter die Räder kommt. Dafür haben die europäischen Staats- und Regierungschefs im Vorfeld des Abschlusses der Verhandlungen mit einer gemeinsamen Erklärung gesorgt. Das europäische Gesetzgebungsverfahren, mit dem Parlament als Mitgesetzgeber, wird hier ad absurdum geführt.

Die Ungerechtigkeit, dass 80 Prozent der Gelder lediglich 20 Prozent der Betriebe zugutekommen, wird auch in den kommenden Jahren hohe Steuergelder wirkungslos für den Umwelt- und Klimaschutz bleiben lassen.

Einen einzigen Lichtblick gibt es bei einem zentralen Anliegen der Sozialdemokrat*innen in Europa: Die Ausbeutung Beschäftigter in landwirtschaftlichen Betrieben wird in Zukunft erstmals sanktioniert. Bei Verstößen werden EU-Fördergelder gekürzt. Das Sozialdumping schwarzer Schafe wird nun nicht mehr mit EU-Geldern belohnt. Anständige Arbeitgeber*innen in der Landwirtschaft müssen nicht mehr mit Lohndrücker*innen konkurrieren.“

Stimmt eine Mehrheit des Europäischen Parlaments für die neuen EU-Agrarvorschriften, sollen sie ab dem 1. Januar 2023 gelten.