04.12.2023

"Nachhaltiges Abkommen hätte auch geopolitische Vorteile"

Entscheidende Verhandlungsrunde zum EU-Mercosur-Vertrag vertagt

Sowohl EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis wollten ursprünglich diese Woche zum Gipfel der Mercosur-Länder nach Brasilien reisen, sagten Reise  jedoch ab. Dennoch sind der brasilianische Präsident Lula und viele seiner Minister derzeit zu den ersten deutsch-brasilianischen Gesprächen seit acht Jahren in Berlin.


Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament:
"Ich bedauere sehr, dass die Verhandlungen über das Zusatzinstrument für das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur in dieser Woche nicht abgeschlossen werden können. Das Zusatzinstrument hätte weitere wirtschaftliche Möglichkeiten für die Mercosur-Länder schaffen können, hätte die Verpflichtungen in Bezug auf Arbeitsfragen hervorgehoben und eine zusätzliche Möglichkeit geboten, gemeinsam gegen die Entwaldung vorzugehen.

Der brasilianische Präsident Lula und Bundeskanzler Scholz sollten sich für das EU-Mercosur-Abkommen engagieren, damit es noch eine Chance auf einen baldigen Abschluss gibt. Ich bin jedoch besorgt, dass sich das Zeitfenster für einen Abschluss des Abkommens nun rasch schließt. 

Es versteht sich von selbst, dass das Abkommen sowohl für die EU als auch für die Mercosur-Länder von Vorteil sein und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen sollte. Gleichzeitig sollte man die weitreichenden Folgen eines fehlenden Abkommens nicht unterschätzen. Der Wert des Abkommens geht über einzelne Wirtschaftssektoren hinaus und ist auch geopolitischer Natur. Es würde zwei starke Handelsblöcke in einer Welt der fragmentierten Globalisierung und des zunehmenden Diversifizierungsbedarfs aneinander binden. Es besteht die reale Gefahr, dass andere Großmächte unsere Unfähigkeit zum Abschluss ausnutzen. Diese Gegner des Abkommens, das selbstverständlich nicht perfekt ist, sollten sich fragen, ob gar kein Übereinkommen tatsächlich besser für die Europäische Union wäre."


Ein Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur war zwar bereits 2019 politisch geschlossen worden, war aber wegen der Regierung Bolsonaro und insbesondere wegen dessen Missachtung des Pariser Klimaabkommens umstritten. Das Europäische Parlament und einige Mitgliedstaaten forderten, dass zusätzliche Verpflichtungen ausgehandelt werden, insbesondere zur Bekämpfung der Entwaldung und des Klimawandels. 

Mit der neuen Lula-Regierung gab es jedoch einige Hoffnungen, dass ein zusätzliches Instrument, das sich unter anderem mit Umwelt- und Arbeitsfragen befasst, das Abkommen verbessern könnte. Frankreichs Präsident Macron hat sich auf der Weltklimakonferenz in Dubai gegen ein Abkommen in dieser Form ausgesprochen, der neue argentinische Präsident hat die Amtsgeschäfte bisher nicht übernommen.