11.11.2021

„Für Frauen geht es ums nackte Überleben“

Europaparlament fordert Aufhebung des Abtreibungsverbots in Polen

Ein Jahr nach dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts fordert eine breite Mehrheit der Europa-Abgeordneten die Regierung auf, das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen aufzuheben, das das Leben von Frauen gefährdet. Die EU-Kommission wird in der heutigen Resolution gedrängt, konkrete Schritte zum Schutz der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in der EU unternehmen.

Maria Noichl, gleichstellungspolitische Sprecherin der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament:

"Mit dem drastischen vollständigen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen durch die rechtskonservative PiS-Regierung wird den Frauen in Polen die Möglichkeit genommen, in ihrem Land selbst über ihr Leben zu entscheiden. Seit einem Jahr kämpfen zahlreiche Frauen und Männer gegen diese Entscheidung und für die Wahrung des Menschenrechts auf Selbstbestimmung als Basis einer tatsächlichen Demokratie.

Ein weiterer Tiefpunkt scheint in diesen Wochen erreicht: Wir hören von mindestens zwei Frauen, die dem extremen Gesetz bereits zum Opfer gefallen sind. Wenn Ärzt*innen nicht mehr handeln, um Leben zu retten, weil sie Angst vor dem Gesetz haben müssen, wenn der Tod von Frauen in Kauf genommen wird, um eine Ideologie durchzusetzen, dann geht es nicht mal mehr um Frauenrechte. Es geht ums nackte Überleben.

Ein großes Problem in der Europäischen Union ist die systematische Untergrabung der Frauenrechte durch rechtskonservative Regierungen in zum Beispiel Polen oder Ungarn. PiS, Fidesz und ihre Glaubensbrüder drehen die Uhr seit Jahren mit teils menschenverachtenden Regelungen langsam, aber sicher, zurück. Dass dies nun solche Züge annimmt, zeigt, dass sie bereit sind, über Frauenleichen zu gehen."


Zehntausende Menschen hatten am Wochenende in Polen gegen das restriktive Abtreibungsgesetz demonstriert. Anlass war der Tod einer 30-jährigen schwangeren Frau durch Septikämie, nachdem ihr 22 Wochen alter Fötus im Mutterleib gestorben war. Nach Angaben ihres Anwalts hatten die Ärzte im Krankenhaus die Schwangerschaft nicht abgebrochen, obwohl der Fötus nicht genügend Fruchtwasser zum Überleben hatte. Neun Monate zuvor hatte das Verfassungsgericht ein Gesetz bestätigt, das Abtreibung de facto verbietet.