14.10.2014

"Europäische Zentralbank musste Versagen der Tu-Nix-Politik ausbaden"

Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) startet am Dienstag eine mündliche Anhörung zum Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) für Anleiheaufkauf. Die deutschen Verfassungsrichter, die sich zunächst mit der Klage beschäftigten, urteilten Anfang 2014, dass die EZB ihr Mandat überschreite. Jedoch überwiesen sie den Fall anschließend zur finalen Klärung an den EuGH, das höchste europäische Gericht. „Anstelle der Frage nach dem OB und WIE wäre die Frage nach dem WARUM die klügere“, gibt Udo Bullmann, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament zu bedenken. Als EZB-Chef Mario Draghi im Sommer 2012 ankündigte, alles zu tun, um den Euro zu retten und notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten aufzukaufen, befand sich die Krise in Europa auf ihrem Höhepunkt. "Die Kapitalmärkte spekulierten gegen sogenannte Problemstaaten", kommentiert Udo Bullmann. "Italien und Spanien etwa waren vor Draghis Eingreifen praktisch von der Kapitalmarktfinanzierung abgeschnitten. Italien musste für Staatsanleihen sechs Prozent mehr zahlen als Deutschland, Spanien fünf Prozent. Niemand wusste, wie viele Staaten morgen noch unter dem Dach der gemeinsamen Währung handeln würden. Doch die in Europa von Konservativen und Liberalen dominierte Politik duckte sich vor dem Problem weg und hoffte, dass das Wasser irgendwann von alleine wieder bergauf fließt“, kommentiert Udo Bullmann. Draghis Vorpreschen trug zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte und zu wiederkehrendem Vertrauen bei, Ende 2012 betrug der Unterschied der italienischen und spanischen zu deutschen Staatsanleihen nur noch drei Prozent. Die Krise schien sich zu beruhigen – vorübergehend. Doch die austeritätsgläubigen Staatschefs nutzte die gekaufte Zeit nicht. „Auch heute noch riskieren die Konservativen die Zukunft Europas", kritisiert Udo Bullmann. "Auch heute noch muss die Europäische Zentralbank in die Bresche springen und Verantwortung übernehmen, um stagnierende Wirtschaften und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die EU-Kommission muss endlich tätig werden und über den engen Horizont von Austeritäts- und Strukturreformen hinausschauen. Für nicht weniger ist sie verantwortlich“, fordert der Wirtschaftsexperte. Forderungen nach Wachstumsmaßnahmen und fiskalpolitischen Impulsen kommen seit kurzem nicht nur von sozialdemokratischer Seite, aus dem ganzen politischen Spektrum. So richtete Draghi Ende August einen Appell an die Regierungen, stärker auf die Finanzpolitik zur Bekämpfung der Wirtschaftsschwäche in der Eurozone zu setzen. Auch der Internationale Währungsfonds gibt sich besorgt um die Wirtschaftsschwäche in Europa und empfiehlt eine Erhöhung der Investitionen. Ein abschließendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird in einem Jahr erwartet. Weitere Informationen: Büro Bullmann +32 2 28 47342 und Jan Rößmann + 32 473 86 45 13