22.11.2018

Geheimhaltung verstößt gegen Europaverträge

"Während das Europäische Parlament eine der transparentesten Volksvertretungen der Welt ist, verhalten sich die nationalen Regierungen im Rat als seien sie beim Wiener Kongress der europäischen Fürsten und nicht Gesetzgeber in der Europäischen Union. Damit verletzen sie das Recht der europäischen Bürgerinnen und Bürger zur demokratischen Teilhabe und fördern Europaverdruss", kritisiert der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen, Ko-Berichterstatter des Parlaments zur Untersuchung der Europäischen Bürgerbeauftragten über die Transparenz des Gesetzgebungsprozesses im Rat. „Die Geheimhaltung von Dokumenten und den Positionen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist unvereinbar mit den in den Europaverträgen verankerten Grundsätzen einer partizipatorischen Demokratie.“ Der Verfassungs- (AFCO) und der Petitionsausschuss (PETI) des Europäischen Parlaments haben sich am Donnerstag, 22. November 2018 in einer Resolution hinter die Bürgerbeauftragte gestellt und fordern die EU-Mitgliedstaaten eindringlich zum Einlenken auf. Der von Jo Leinen verfasste Bericht wurde ohne Gegenstimmen angenommen. "Der Rat ist die Black-Box der EU-Institutionen und das größte Hindernis für ein transparenteres Gesetzgebungsverfahren. Dokumente werden den Bürgern vorenthalten, indem der Rat sie systematisch und ohne Prüfung als geheim einstuft. Wenn der Rat nach Monaten interner Verhandlungen einen Beschluss präsentiert, ist oft selbst für Abgeordnete der nationalen Parlamente und des Europaparlaments nicht nachvollziehbar, wie der Beschluss zustande gekommen ist und welche Positionen die einzelnen Mitgliedstaaten vertreten haben. Das gilt insbesondere für die mehr als 150 vorbereitenden Gremien im Rat. Wir fordern, dass die Sitzungen durch eine Liveübertragung im Internet für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wie es bei Ausschusssitzungen im Europaparlament schon seit geraumer Zeit der Fall ist", sagt Jo Leinen. Die bisherige Praxis mache es den nationalen Regierungen leicht, sich von Beschlüssen zu distanzieren, die sie selber mitgetragen haben. "In der Europäischen Union geht nichts ohne die EU-Mitgliedstaaten im Rat. Besonders bei unpopulären Maßnahmen passiert es dennoch immer wieder, dass nationale Regierungen gegenüber heimischen Publikum so tun, als seien ihnen die Beschlüsse 'von der EU' aufgezwungen worden. Dieses Brüssel-Bashing untergräbt das Vertrauen in die Demokratie auf europäischer Ebene und ist absolut unverantwortlich. Wir fordern, dass die Regierungen diese Praxis unverzüglich einstellen", so Jo Leinen. "In der Europäischen Union werden Gesetze gleichberechtigt von zwei Kammern beschlossen: dem Parlament, welches die Bürger repräsentiert und dem Ministerrat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind. Es ist höchste Zeit, dass auch der Rat seine Arbeitsweise an die Anforderungen einer modernen und transparenten parlamentarischen Demokratie anpasst", sagt Jo Leinen Weiterführende Informationen: Untersuchung der Europäischen Bürgerbeauftragten zur Transparenz im Ministerrat Verfahren im Parlament Weitere Informationen: Büro Leinen +32 228 45842 und Jan Rößmann +32 473 864 513 (Pressesprecher)