19.06.2020

"EU-Gelder im Zweifel einfrieren“

Interessenskonflikt des tschechischen Premiers

Das EU-Parlament stimmt am heutigen Freitag über eine Resolution zur regelwidrigen Verwendung von EU-Mitteln ab. Fraktionsübergreifend fordern die Abgeordneten darin eine Lösung des Interessenskonflikts des tschechischen Premierministers Andrej Babis. Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten und Mitglied im Haushaltsauschuss des Europäischen Parlaments: 

„Die Untersuchungen der EU-Kommission belegen, dass die Konzerne des tschechischen Premierministers Andrej Babiš in den vergangenen Jahren unrechtmäßig EU-Agrargelder in Millionenhöhe erhalten haben. Tschechische EU-Abgeordnete, die an einer Factfinding-Reise des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament in Tschechien teilgenommen haben, bezeichnet er als Landesverräter. Auch andere Mitglieder, wie die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses, Monika Hohlmeier, werden von Babiš in inakzeptabler Weise behandelt. Das ist eine Missachtung der europäischen Demokratie.“

„Wer so wenig Respekt vor dem Schutz von EU-Steuermitteln hat wie Babiš, darf nicht an den Verhandlungen zur Zukunft der EU-Finanzen teilnehmen. Wenn er am Freitag bei der Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs mit am Tisch sitzt, vertritt er hoffentlich tschechische Interessen, aber wohl weiterhin auch seine eigenen als Unternehmer. Das ist ein schwerwiegender Interessenkonflikt. Es ist gut, dass das Europäische Parlament die Kommission auffordert, klare Regelungen für Unternehmenskonflikte vorzulegen und Missachtungen zu sanktionieren. EU-Mittel müssen in solchen Fällen wiedereingezogen werden können.“

„Sein Fall zeigt, dass der rechtsstaatliche Umgang mit EU-Geldern auch von einer liberal geführten Regierung bedroht sein kann. Ich erwarte, dass die ALDE, die liberale europäische Parteienfamilie, sich damit auseinandersetzt. Auch die Renew-Europe-Fraktion sollte sich mit dem Fall beschäftigen."

„Mit Blick auf die langfristige Planung der EU-Finanzen ist besorgniserregend, dass die Instrumente des tschechischen Rechtsstaats zur Überwachung der Ausgaben von EU-Fördergeldern nicht ausreichend gegriffen haben. Wir tun daher gut daran, den Vorschlag für ein Rechtsstaatlichkeitsinstrument als präventive Maßnahme zum Schutz der finanziellen Interessen der EU bald umzusetzen. Denn wenn, wie in Tschechien, die Gefahr besteht, dass die Veruntreuung von Geldern in einem Mitgliedstaat nicht gerichtlich verfolgt wird, müssen wir EU-Gelder im Zweifel einfrieren können.“