 Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken verklagt die Kommission wegen mangelnder Transparenz beim Rückzug von Gesetzesvorschlägen. Die EU-Kommission hatte die Verordnung über standardessenzielle Patente (SEP), die unter anderem die Vergabe von 5G-Mobilfunkpatenten für die Automobilindustrie vereinfacht hätte, Anfang des Jahres angekündigt und im Juli beschlossen. Anfragen zum Zugang zu Kommissionsdokumenten zu diesem ungewöhnlichen Vorgang blieben bisher weitgehend erfolglos. Wölken hatte deshalb beim Gericht der Europäischen Union Klage eingereicht. In einem ersten Etappenerfolg hat das Gericht jetzt dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stattgegeben und entschieden, dass die Kommission vorerst keine Textnachrichten oder Emails im Zusammenhang mit dem Rückzug der SEP-Verordnung löschen darf.
Tiemo Wölken, Schattenberichterstatter für die SEP-Verordnung: "Es ist sehr selten, dass das Gericht der Europäischen Union einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine EU-Institution stattgibt. Das verdeutlicht, wie ernst das Gericht meine Klage nimmt. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass die Von-der-Leyen-Kommission mit Intransparenz und dubiosen Deals auffällt, wie die Kontroverse um plötzlich verschwundene Textnachrichten zum Pfizer-Deal gezeigt hat.
Völlig inakzeptabel ist, dass die Kommission sich selbst Regeln gesetzt hat, die es ihr erlauben, auch zu sensibelsten politischen Fragen interne Kommunikation nach nur sechs Monaten schlicht zu löschen. Das ist Vernichtung von Beweismitteln und muss aufhören. Dabei gibt gute Gründe, beim Rückzug der SEP-Verordnung skeptisch zu sein: Die EU-Kommission begründete den überraschenden Rückzug damit, dass angeblich keine politischen Mehrheiten in Rat und Parlament für das Gesetz absehbar gewesen wäre. Diese fadenscheinige Begründung ist ganz klar vorgeschoben. Das Parlament hatte bereits eine Position beschlossen, während im Rat mehrere ganztägige Verhandlungsrunden angesetzt waren – dort wurde man vom Rückzug genauso überrascht wie im Parlament. Besonders besorgniserregend ist, dass die EU-Kommission den Vorschlag kurz nach einem Treffen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit US-Vizepräsident JD Vance kassiert hat. Es ist kein Geheimnis, dass die SEP-Verordnung großen US-Unternehmen ein Dorn im Auge war. Kurz nach dem Treffen brodelte dementsprechend auch die Gerüchteküche: von der Leyen habe Vance den Rückzug der Vorschläge als Zeichen des guten Willens angeboten. Das wäre ein handfester Skandal. Europa darf sich seine Gesetze nicht von den USA diktieren lassen! Durch Offenlegung des Entscheidungsprozesses könnte Ursula von der Leyen belegen, dass an den Gerüchten nichts dran ist. Tut sie das nicht, spräche das Bände." Das Aktenzeichen des Verfahrens ist T-784/25 Wölken/Kommission, unter diesem Link können demnächst aktuelle Dokumente zum Verfahren abgerufen werden: Im nächsten Schritt muss die EU-Kommission bis Anfang Dezember zur Klage Stellung beziehen. |