12.03.2024

Keine Kompromisse auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit

Rechtsausschuss empfiehlt Klage gegen Europäische Kommission wegen fragwürdiger Mittelfreigabe an Ungarn

Rund 10 Milliarden Euro eingefrorene Gelder aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds gab die Kommission im Dezember für Ungarn frei. Einen Tag später beschloss der Europäische Rat weitere Ukrainehilfen - eine Entscheidung, die vorher wegen eines angedrohten ungarischen Vetos auf der Kippe stand. Die freigegebenen Gelder waren vorher wegen erheblicher Bedenken über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn eingefroren worden. Das Europäische Parlament zweifelt die Rechtmäßigkeit dieser Freigabe an und zieht deshalb nun vor den Europäischen Gerichtshof.

Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments:

"Wieder einmal ist das Europäische Parlament die treibende Kraft in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Ursula von der Leyen war vor Orbán eingeknickt und hat die EU schwach erscheinen lassen. Es ist beschämend, dass wir als Europäisches Parlament die EU-Kommission durch eine Klage an ihre Rolle als Hüterin der Verträge erinnern müssen. Mit Blick auf die Europawahl weckt das böse Vorahnungen."

René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD, Professor für europäisches Recht und Beauftragter der S&D-Fraktion für institutionelle Rechtsstreitigkeiten:

„Die Rechtsstaatlichkeit darf in der EU nicht zum Verkauf stehen. Entweder ist die richterliche Unabhängigkeit in einem Mitgliedstaat wiederhergestellt   dann dürfen auch EU-Gelder wieder in dieses Land fließen. Oder sie ist es nicht. Dann müssen EU-Gelder zurückgehalten werden. Die Kommission verfügt zwar über ein Ermessen bei der EU-Mittelverwaltung. Zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit und der damit verbundenen finanziellen Interessen der EU muss dieses Ermessen jedoch verengt sein. Das wollen wir jetzt vom EuGH klären lassen. Sollte der EuGH keine Ermessensüberschreitung erkennen, müssen wir als Gesetzgeber ran und die Kriterien für die Zurückhaltung von Kohäsionsmittlen bei der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit verschärfen. Die Klage vor dem Gerichtshof ist für mich ein wichtiger Schritt, um die Kommission beim Umgang mit innereuropäischen Autokratien zur Verantwortung zu ziehen."

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments wird nun eine Klage im Namen des Parlaments auf Grundlage der Empfehlung des Rechtsausschusses einreichen. Weitere Verfahrensschritte sind rechtlich nicht mehr erforderlich. Sie kann jedoch nach der Klageerhebung, im kommenden Plenum, eine Abstimmung darüber beantragen, ob die Klage zurückgezogen werden muss. Die Klagefrist gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission, die Kohäsionsmittel für Ungarn freizugeben, läuft am 25. März ab.