27.05.2020

"Absage an nationalistische Trommelwirbel“

EU-Kommission stellt Wiederaufbaufonds und langfristige Finanzplanung vor

Den Vorschlag der EU-Kommission für einen Wiederaufbaufonds am Mittwoch, 27. Mai 2020, sowie die langfristige EU-Finanzplanung kommentieren Jens GeierMdEP und Joachim Schuster MdEP.


Jens GEIER, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten und Mitglied im Haushaltsauschuss des Europäischen Parlaments:
 

"Vorhaben wie die Anhebung der Eigenmittelobergrenze, zusätzliche Eigenmittel und die substanzielle Aufstockung zentraler EU-Programme wären so vor einem Jahr noch undenkbar für die EU-Kommission gewesen. Dieser Vorschlag für einen neuen mehrjährigen Finanzrahmen setzt die richtigen Prioritäten. Was die europäische Wirtschaft jetzt braucht, sind Investitionen in großer Höhe, die nachhaltige Arbeitsplätze schaffen und auf Innovation, Digitalisierung und den sozial-ökologischen Wandel ausgerichtet sind. Dass hilfsbedürftigen Regionen auch Zuschüsse statt allein Kredite für den Wiederaufbau gezahlt werden sollen, ist ein großer Fortschritt und nicht zuletzt den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der deutschen Bundesregierung zu verdanken."
 

„Die Kommission erteilt mit ihrem Vorschlag den nationalistischen Trommelwirbeln von Sebastian Kurz eine Absage. Nun muss die Kommissionspräsidentin den nächsten Schritt gehen und Kurz und Co. von deren Irrweg holen. Weil alle europäischen Volkswirtschaften vom Handel mit den Nachbarn abhängig sind, greift die rückwärtsgewandte Rhetorik des österreichischen Bundeskanzlers zu kurz.“

„Die Vorschläge der EU-Kommission für neue Eigenmittel sind so verhalten formuliert, dass hier noch viel Verhandlungsspielraum zu erkennen ist. Als Vorschläge sind sie alle sinnvoll und können Brücken zu den Staaten bauen, die die eigenen Haushalte möglichst wenig belasten wollen. Insbesondere die bisherigen Blockierer unter den EU-Mitgliedstaaten sollten deshalb dafür offen sein. Eine Digitalsteuer trifft zum Beispiel große Unternehmen, die aufgrund der Lockdown-Maßnahmen zum Teil noch bessere Geschäfte gemacht haben.“
 

„Gut ist, dass die EU-Kommission nicht von ihrem Rechtsstaatlichkeitsinstrument abrückt. Wenn wir den EU-Haushalt substantiell anheben, müssen wir auch die finanziellen Interessen der EU entsprechend stärker schützen. Das EU-Parlament wird diese Forderung zu einer seiner zentralen Bedingung machen, wenn es dem mehrjährigen Finanzrahmen zustimmen soll."


 

Joachim SCHUSTER, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten:

“Der Vorschlag der EU Kommission greift viele Forderungen des Europäischen Parlaments auf und ist richtig dimensioniert, auch wenn Detailfragen offen bleiben. Mit dem Vorschlag, der sowohl Zuschüsse als auch Kredite für die EU-Mitgliedsstaaten vorsieht, versucht die Kommission den Spagat zwischen den verhärteten Fronten in den europäischen Hauptstädten zu schlagen. Man kann sich auf harte Verhandlungen einstellen.”

„Der Geiz von Kurz und Co. ist eine Farce von Regierungschefs, die sich rechts-konservative Wählerstimmen sichern wollen. Mithaftung auszuschließen, sich aber als Aufseher hervorzutun, ist spätestens seit der Eurokrise des letzten Jahrzehnts überholt. Schämen sollte sich vor allem die niederländische Regierung, die jetzt Solidarität verweigert, aber durch ihre Steuerpolitik Gewinne von Unternehmen aus anderen Staaten abgezogen hat, denen diese Einnahmen in der jetzigen Krise fehlen.“ 

„Kaum ein Land profitiert so sehr von der EU wie Deutschland – vor allem von steigender Kaufkraft im EU-Ausland. Unser Erfolg und Wohlstand ist untrennbar mit dem unserer europäischen Nachbarn verknüpft.“ 
 

„Die Pandemie demonstriert den Konstruktionsfehler der europäischen Gemeinschaft deutlicher denn je: Für den langfristigen Erfolg der Währungsunion ist auch eine gemeinsame Fiskalpolitik nötig. Der Wiederaufbau-Plan könnte ein erster Schritt für weitreichende Reformen der EU sein, um als Europa gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Der deutsch-französische Vorschlag gibt Hoffnung, dass die anstehenden Ratspräsidentschaften von Deutschland 2020 und Frankreich 2022 diesen Forderungen folgen. Dazu gehören sowohl neue Finanzinstrumente als auch eine Harmonisierung der Steuerpolitik.“